Pflegebedürftigkeit betrifft heute viele Familien in Deutschland und mit einer älter werdenden Gesellschaft steigt die Relevanz weiter. Ein geliebter Mensch braucht Hilfe, und plötzlich stehen wir vor Fragen: Wie viel Unterstützung steht uns zu? Wer hilft uns? Und wie beantragen wir das überhaupt?
Der Pflegegrad ist dabei ein zentraler Begriff. Er entscheidet darüber, welche Leistungen Sie oder Ihre Angehörigen erhalten.
Um den Bedürfnissen pflegebedürftiger Menschen gerechter zu werden, wurde 2017 ein grundlegender Systemwechsel vollzogen: Die bisherigen Pflegestufen wurden durch Pflegegrade ersetzt. Damit rückte die individuelle Selbstständigkeit in den Mittelpunkt – nicht mehr nur der zeitliche Aufwand für die Pflege.
2025 bringt nun eine neue Anpassung der Leistungen, die Pflegebedürftigen und Angehörigen spürbare Entlastung bringen soll.
Warum wurden Pflegegrade eingeführt?
Die Einführung der Pflegegrade im Jahr 2017 ersetzte das alte System der Pflegestufen. Ziel war es, die Pflegebedürftigkeit nicht mehr allein über Zeitaufwand, sondern über den Grad der eingeschränkten Selbstständigkeit in verschiedenen Lebensbereichen zu bewerten. Dadurch erhalten insbesondere Menschen mit kognitiven Einschränkungen – wie etwa Demenz – einen gerechteren Zugang zu Leistungen. Der Wechsel war ein zentraler Schritt hin zu einer individuelleren und bedarfsorientierten Pflege
Was ist ein Pflegegrad?
Nun kommen wir zum Pflegegrad (PG), dieser ist eine Einstufung der Pflegebedürftigkeit durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) oder andere Gutachter. Er reicht von PG 1 (geringe Beeinträchtigung) bis PG 5 (schwerste Beeinträchtigung) und bestimmt, welche finanzielle und praktische Unterstützung möglich ist.
Pflegeleistungen 2025: Die wichtigsten Änderungen
Ab dem 1. Januar 2025 werden die Pflegeleistungen um rund 4,5 % erhöht. Das bedeutet für Pflegegeldempfänger:
-
-
Pflegegrad 5: steigt von 947 € auf 990 € pro Monat
-
Entlastungsbetrag: erhöht sich von 125 € auf 131 € monatlich
-
Pflegesachleistungen steigen ebenfalls – z. B. bei Pflegegrad 3 von 1.432 € auf 1.497 €
-
Auch Verhinderungs- und Kurzzeitpflege, Zuschüsse für Wohnraumanpassung oder Pflegehilfsmittel werden entsprechend angepasst.
-
Damit erhalten Pflegebedürftige und ihre Familien spürbar mehr finanzielle Unterstützung im Alltag – ob für professionelle Pflegedienste, Betreuung oder Haushaltshilfen.
Übersicht zu Pflegegraden, Leistungen und Einstufungskriterien
In dieser Tabelle finden Sie die Pflegegrade mit den dazugehörigen finanziellen Leistungen sowie den erforderlichen Punkten im Pflegegutachten aufgeführt.
Bewertungssystem im Pflegegutachten
-
-
Maximal können 100 Punkte vergeben werden.
-
Eine volle Punktzahl bedeutet eine vollständige Einschränkung der Selbstständigkeit und entspricht dem höchsten Pflegegrad (PG 5).
-
Die erreichte Punktzahl spiegelt wider, wie stark die Selbstständigkeit beeinträchtigt ist und welcher Unterstützungsbedarf besteht.
-
➪ Wichtige Bezeichnungen :
Pflegegeld
Es ist eine finanzielle Unterstützung für pflegebedürftige Menschen in Deutschland, die zu Hause gepflegt werden – ohne Pflegedienst oder Heim. Gesetzlich geregelt im § 37 SGB XI, wird es ab Pflegegrad 2 ausgezahlt und kann frei verwendet werden, z. B. für pflegende Angehörige, Alltagshilfen oder Haushaltsunterstützung. Die Höhe steigt mit dem Pflegegrad, am meisten erhalten Betroffene mit Pflegegrad 5.
Pflegeunterstützungsgeld
Dies ist eine neue Leistung für berufstätige Angehörige in akuten Pflegesituationen. Seit 2024 können sie bis zu 10 Tage pro Jahr von der Arbeit freinehmen, um Pflege zu organisieren – und erhalten dafür diese finanzielle Unterstützung. Anders als früher gilt die Leistung jetzt jährlich und nicht mehr nur einmalig pro Pflegefall.
Pflegesachleistungen
Solche sind professionelle Pflegeleistungen, die ein ambulanter Pflegedienst bei Ihnen zu Hause erbringt – etwa Hilfe bei der Körperpflege, Ernährung oder Haushaltsführung. Die Kosten übernimmt die Pflegekasse bis zu einem festen Betrag, der vom Pflegegrad abhängt.
Hinweis: Bei Pflegegrad 1 besteht kein Anspruch. Die Leistung ist ideal, wenn Angehörige die Pflege nicht allein stemmen können.
Pflegehilfsmittel
Konkret handelt es sich um praktische Unterstützer im Pflegealltag, die in zwei Kategorien fallen:
Verbrauchsmaterialien wie Einmalhandschuhe, Desinfektionsmittel oder Bettschutzeinlagen – hier übernimmt die Pflegekasse pauschal bis zu 40 Euro monatlich.
Technische Hilfsmittel etwa Rollatoren, Pflegebetten oder Hausnotrufsysteme – diese werden meist leihweise bereitgestellt oder bezuschusst.
Der Vorteil: Die 40 Euro für Verbrauchsmaterial stehen jedem Pflegebedürftigen zu – ganz unabhängig vom Pflegegrad. Technische Hilfen müssen ärztlich verordnet und von der Kasse genehmigt werden.
Entlastungsleistungen
Diese Leistung (2025: 131 Euro/Monat) dient gezielt der Unterstützung pflegender Angehöriger. Sie kann flexibel eingesetzt werden für:
-
Stundenweise Betreuung durch ambulante Dienste
-
Alltagsbegleiter (z.B. für Einkäufe oder Arztbesuche)
-
Tagespflege oder Betreuungsgruppen
Wichtig:
Nur anerkannte Anbieter dürfen diese Leistungen erbringen. Der Clou: Auch Pflegegrad 1 berechtigt zur Nutzung – ideal für frühe Entlastung.
➪ Pflegegeld beantragen: So geht’s
Wer hat Anspruch auf Pflegegeld?
Pflegegeld erhalten Menschen, deren körperliche oder geistige Fähigkeiten so eingeschränkt sind, dass sie im Alltag dauerhaft auf Unterstützung angewiesen sind. Voraussetzung ist in der Regel ein anerkannter Pflegegrad ab Stufe 2.
Das Pflegegeld ist für Personen gedacht, die zu Hause gepflegt werden – in der Regel durch Angehörige oder ehrenamtliche Helfer. Diese übernehmen die Pflege unentgeltlich und ermöglichen so eine Versorgung im gewohnten Umfeld.
Wo und wie wird Pflegegeld beantragt?
Das Pflegegeld selbst kann nicht direkt beantragt werden. Stattdessen stellen Sie zunächst einen Antrag auf Feststellung eines Pflegegrades bei der zuständigen Pflegekasse. Diese beauftragt anschließend den Medizinischen Dienst (bei gesetzlich Versicherten) oder Medicproof (bei privat Versicherten) mit einer Begutachtung der pflegebedürftigen Person.
Wichtig: Bei der Begutachtung muss erkennbar sein, dass die betreffende Person ihren Alltag nicht oder nur eingeschränkt selbstständig bewältigen kann.
Voraussetzungen für den Erhalt von Pflegegeld
Damit Pflegegeld gezahlt wird, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:
-
Es liegt eine Beeinträchtigung der Selbstständigkeit vor (Pflegegrad ab 2)
-
Die Pflege erfolgt häuslich, also nicht stationär
-
Eine Angehörige, ein Freund oder eine ehrenamtliche Person übernimmt die Pflege
-
Die Pflege wird in einer geeigneten Umgebung und auf verantwortungsvolle Weise durchgeführt
Welche Pflegekasse ist zuständig?
Die Pflegeversicherung ist an die Krankenversicherung gekoppelt:
-
Gesetzlich Versicherte wenden sich direkt an ihre Krankenkasse, die auch die Pflegekasse verwaltet.
-
Privat Versicherte kontaktieren ihre private Pflegeversicherung, in der sie automatisch mitversichert sind.
Kann man Pflegegeld und Sachleistungen kombinieren?
Ja, in vielen Fällen ist eine Kombination möglich:
-
Pflegegeld erhalten Sie, wenn Angehörige oder Freunde die Pflege übernehmen.
-
Pflegesachleistungen nutzen Sie, wenn ein ambulanter Pflegedienst unterstützt (z. B. bei Körperpflege, Haushaltshilfe oder medizinischer Versorgung).
Wenn ein Teil der Pflege privat und ein Teil durch einen Pflegedienst erfolgt, wird das Pflegegeld anteilig gekürzt, während die Sachleistungen entsprechend angerechnet werden.
Wie werden die Pflegegrade 1 bis 5 ermittelt?
Die Einstufung in einen Pflegegrad erfolgt durch eine Begutachtung. Bei gesetzlich Versicherten übernimmt dies der Medizinische Dienst (MD), bei privat Versicherten wird das Unternehmen Medicproof beauftragt.
Der Gutachter bewertet die Selbstständigkeit und Fähigkeiten in sechs Lebensbereichen (Module) und ordnet die Person anhand eines Punktesystems einem der fünf Pflegegrade zu.
➪ Tabelle: Ermittlung der Pflegegrade
Ablauf nach der Begutachtung
Nach der Prüfung der körperlichen und kognitiven Fähigkeiten sendet der Gutachter das Ergebnis an die Pflegekasse. Um Pflegeleistungen zu beantragen, haben Sie zwei Möglichkeiten:
-
- Formloser Antrag: Schreiben Sie einen Brief mit der Bitte um Leistungen aus der Pflegeversicherung.
- Musterantrag nutzen: Verwenden Sie eine Vorlage, um den Prozess zu beschleunigen.
➪ Pflegegrade bei besonderen Erkrankungen: Was Sie wissen müssen !
Die Einstufung in einen Pflegegrad hängt nicht nur vom allgemeinen Hilfebedarf ab, sondern auch von den spezifischen Anforderungen, die durch bestimmte Krankheiten entstehen. Manche Erkrankungen führen zu einem besonderen Pflegebedarf, der von den klassischen Kriterien der Pflegegrade 1 bis 5 abweichen kann.
Welche Krankheiten können den Pflegebedarf erhöhen?
Zu den Erkrankungen, die oft einen höheren oder speziellen Pflegegrad erfordern, gehören unter anderem:
-
Neurologische Erkrankungen: ALS, Multiple Sklerose, Parkinson, Demenz, Kinderdemenz, Epilepsie, Schlaganfall
-
Chronische Schmerz- & Bewegungserkrankungen: Fibromyalgie, Arthrose, Arthritis, Osteoporose, Gicht, FOP (Fibrodysplasia Ossificans Progressiva)
-
Atemwegserkrankungen: COPD, Lungenfibrose, Mukoviszidose
-
Psychische Erkrankungen: Depressionen, Angststörungen
-
Sonstige Erkrankungen: Diabetes, Dysphagie (Schluckstörungen), Dekubitus (Druckgeschwüre), Inkontinenz, MRSA, Stoma-Versorgung, Chorea Huntington
Falls Sie unsicher sind, welcher Pflegegrad bei einer bestimmten Erkrankung angemessen ist, lohnt sich eine individuelle Beratung durch die Pflegekasse.
Wie oft wird der Pflegegrad überprüft?
Ein 1x festgestellter Pflegegrad bleibt zunächst bestehen – es gibt keine automatischen Überprüfungen in festen Intervallen. Allerdings kann die Pflegekasse eine Neubewertung veranlassen:
Bei Verdacht auf veränderten Pflegebedarf
-
-
Die Kasse kann eine erneute Begutachtung anordnen, wenn sich der Gesundheitszustand deutlich verschlechtert (oder verbessert) hat.
-
Auf Antrag des Betroffenen oder der Angehörigen
-
-
Wenn sich der Zustand verschlechtert, können Sie selbst einen Antrag auf Höherstufung stellen. Daraufhin prüft der Medizinische Dienst (MD) oder Medicproof den Fall neu.
-
Was tun, wenn der Pflegegrad falsch eingestuft wurde?
Manchmal entspricht die Einstufung nicht dem tatsächlichen Bedarf – etwa wegen unvollständiger Unterlagen oder Fehlern im Gutachten. In diesem Fall können Sie Widerspruch einlegen.
Tipps für einen erfolgreichen Widerspruch:
✔ Gutachten genau prüfen: Welche Punkte wurden übersehen oder falsch bewertet?
✔ Pflegebedarf dokumentieren: Führen Sie ein Pflegeprotokoll oder holen Sie aktuelle Arztberichte ein.
✔ Schriftlichen Widerspruch einreichen: Formulieren Sie ihn sachlich und fügen Sie alle relevanten Nachweise bei.
Wichtig:
Der Widerspruch muss innerhalb von 4 Wochen nach Erhalt des Bescheids bei der Pflegekasse eingehen. Senden Sie ihn per Einschreiben, um den Eingang nachweisen zu können.
Schwerbehindertenausweis und Pflegegrad
Bei Behinderung geht es um die Benachteiligung bei der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Beim Pflegegrad geht es um die Frage, ob eine Person im Alltag dauerhaft Unterstützung braucht. Es geht also um unterschiedliche Problemstellungen.
Deshalb gilt: Wer einen Schwerbehindertenausweis hat, bekommt nicht automatisch einen Pflegegrad. Andersrum gilt das gleiche.
Bei vielen Menschen kommt aber beides zusammen: Eine schwere Behinderung und eine Pflegebedürftigkeit. In diesem Fall sollten Sie nicht nur den Schwerbehindertenausweis, sondern auch noch einen Pflegegrad beantragen.
Das lohnt sich, weil sie mit dem Schwerbehindertenausweis und dem Pflegegrad jeweils unterschiedliche Leistungen und Vorteile in Anspruch nehmen können. Mit dem Pflegegrad können Sie z.Bsp. zahlreiche Pflegeleistungen nutzen, die Ihnen den Alltag erleichtern.
➪ Fazit
Ein Pflegegrad ist weit mehr als nur eine formale Einstufung. Er bestimmt, wie viel Unterstützung Sie oder Ihr Angehöriger im täglichen Umgang mit gesundheitlichen Herausforderungen erhalten und damit, wie viel Selbstständigkeit und Würde im Alltag bewahrt werden können.
Halten Sie genau fest, welche Unterstützung im Alltag nötig ist. Scheuen Sie sich nicht, bei einer ungerechten Einstufung Widerspruch einzulegen. Nutzen Sie alle Leistungen, die Ihnen zustehen – denn gute Pflege ist ein Anspruch, den Sie durch Ihre Beiträge erworben haben.
Im Kern geht es nicht um Formulare oder Anträge. Es geht darum, dass Sie oder Ihr Angehöriger trotz aller Einschränkungen ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen können. Dafür lohnt es sich, sich einzusetzen. Informieren Sie sich, holen Sie sich Unterstützung und bleiben Sie beharrlich.
Am Ende geht es darum ein Stück Lebensqualität zurückgewinnen.
Wir hoffen, dass Ihnen dieser Beitrag wertvolle Informationen und eine klare Orientierung zum Thema Pflegegrade vermitteln konnte.
Wir wünschen Ihnen viel Erfolg auf dem Weg zur bestmöglichen Versorgung!